Im Wirtschaftsausschuss des Bundestags ist es am Mittwoch zu einer ungewöhnlichen Mehrheitsbildung gekommen, wie POLITICO Pro Industrie & Handel erfuhr. Ausgerechnet während der Befragung von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), die eigentlich hinter verschlossenen Türen stattfinden sollte, verloren die Koalitionsfraktionen von CDU, CSU und SPD ihre Mehrheit.

Die Grünen stellten den Antrag, den Ausschuss während der Befragung für die Öffentlichkeit zu öffnen. Die Ausschussmitglieder des schwarz-roten Regierungsbündnisses waren zwar dagegen – doch es fehlten drei Abgeordnete aus der Koalition. Somit hatte die Opposition in dieser Runde die Mehrheit – und nutzte sie. Der Antrag der Grünen ging demnach mit Stimmen von AfD und Linkspartei durch. Besucher durften nun auf die Tribüne des Sitzungssaals E200 im Paul-Löbe-Haus Platz nehmen.

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SPD und CDU/CSU versuchten später, das Fehlen der betreffenden Abgeordneten und die dadurch verpasste Mehrheit zu entschuldigen: Die Parlamentarier seien unter anderem auch im Rechtsausschuss des Bundestags eingebunden gewesen, um dort die Mietpreisbremse abzusegnen. Deshalb hätten sie in ihrem zweiten Ausschuss bei der gleichzeitig laufenden Befragung von Ministerin Reiche gefehlt.

Doch das war nicht der einzige Fauxpas: Die Regierung schickte zudem eine falsche Fassung eines Gesetzes durchs Kabinett. Das Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungen für den Bau von Windkraftanlagen in bereits ausgewiesenen Windenergie-Gebieten ging bereits vergangene Woche durch — aber in einer veralteten Version.

Im Vorfeld hatten Umwelt- und Wirtschaftsministerium mehrere Versionen des Entwurfs hin- und hergeschickt. Am Ende landete nicht die neueste im Kabinett.

Streitpunkt war der Paragraf 16b im Bundes-Immissionsschutzgesetz. Hier wollten die Koalitionäre eine andere Formulierung als jetzt vom Kabinett verabschiedet.

In dem Paragrafen wird festgeschrieben, dass nur die Bundeswehr und Luftverkehrsbehörden Einspruch gegen Änderungen bei bereits genehmigten Windrädern erheben dürfen. Die Koalition will allerdings hinzufügen, dass nach einer bestimmten Frist die Genehmigungsfiktion gilt. Dieser Satz fehlt im Gesetz. Die Regierung hat den Gesetzesentwurf als Formulierungshilfe für die Regierungsfraktionen verabschiedet. Deshalb wurden die Abgeordneten im Vorfeld eingebunden, durften an den Paragrafen konkret mitschreiben.

Kein Problem, heißt es aus der Koalition. Dies werde man mit Änderungsanträgen im parlamentarischen Verfahren wieder zurechtbiegen.

Thorsten Mumme ist Editor POLITICO Industrie & Handel.

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