Erstmals seit Tagen meldet sich Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei aus seinem Versteck, verkündet den Sieg über Israel und die USA. Hinter den Kulissen plant der 86-Jährige aber längst seine Nachfolge.

Seit 36 Jahren ist Ajatollah Ali Chamenei der mächtigste Mann im Iran. Der 86-Jährige ist das geistliche Oberhaupt und zugleich der politische Führer der Islamischen Republik. Ohne ihn geht nichts in dem schiitischen Staat. Chamenei hat offiziell immer das letzte Wort.

In den Jahren der Schah-Regentschaft saß er insgesamt sechsmal im Gefängnis. Nach der islamischen Revolution 1979 stieg Chamenei innerhalb der Mullahs schnell auf. 1981 wurde er iranischer Präsident. 1989 nach dem Tod von Ajatollah Ruhollah Chomeini dessen Nachfolger als oberster religiöser und politischer Führer.

Für Israels Verteidigungsminister Israel Katz ist Chamenei der "moderne Hitler". Die israelischen Streitkräfte wüssten, "dass dieser Mann definitiv nicht weiter existieren darf, damit wir alle unsere Ziele erreichen", sagte Katz vorige Woche. Dazu dürfte es zumindest kurzfristig nicht kommen, nachdem US-Präsident Donald Trump einen Waffenstillstand zwischen Israel und dem Iran vermittelt hat.

Klar ist aber, dass der israelische Geheimdienst Mossad das Mullah-Regime tief infiltriert hat und damit weiterhin ein Auge auf den mächtigsten Mann Irans haben dürfte. In den vergangenen Wochen hat der Mossad führende Köpfe der iranischen Armee und des iranischen Geheimdienstes ausgeschaltet. Wenn er will, kommt der Geheimdienst vermutlich auch an Chamenei heran.

Deshalb hat der Diktator seine eigenen Sicherheitsmaßnahmen deutlich erhöht. Er lebt Berichten zufolge inzwischen verschanzt in einem Bunker an einem unbekannten Ort. Das Spezialkommando der Revolutionsgarde bewacht ihn und seine Familie rund um die Uhr. Nur noch wenige Vertraute haben Zugang zu ihm. Sie überbringen ihm Nachrichten und übermitteln seine Befehle an die Revolutionsgarde und die anderen mächtigen Männer im Iran. Chamenei kommuniziere nur noch analog - zu groß ist die Angst, dass der Mossad mithört und ihn aufspürt, berichtet die "New York Times".

Trump: Chamenei ist "einfaches Ziel"

Laut Donald Trump wissen die Amerikaner bereits, wo sich Chamenei aufhält. Irans Diktator sei ein "einfaches Ziel", schrieb der US-Präsident vergangene Woche in seinem Online-Netzwerk Truth Social. "Wir werden ihn aber nicht töten, wenigstens jetzt noch nicht."

Trotz dieser Ansage von Trump und dem Militärschlag am vergangenen Wochenende, bei dem die iranischen Atomanlagen getroffen wurden, funktioniere die Befehlskette innerhalb der iranischen Führung noch, schreibt die "New York Times". Es gebe laut hochrangigen Beamten und Topdiplomaten derzeit "keine offensichtlichen Anzeichen von Uneinigkeit" in der Führungsriege. "Die oberste Priorität ist der Erhalt des Staates", wird Vali Nasr, Iran-Experte und Professor für internationale Angelegenheiten an der Johns-Hopkins-Universität, zitiert.

Kräfte aus dem Innern der Revolutionsgarde könnten Chamenei auch "beiseiteschieben", glaubt Politikwissenschaftler Ali Vaez von der Denkfabrik International Crisis Group. Chameneis Gegner innerhalb der Mullahs könnten eines Tages zu dem Entschluss kommen, dass Chamenei "zu alt und zu passiv geworden ist" und ihn dann aus dem Weg räumen, sagte Vaez der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Sorge vor dem Tod ist offenbar so groß, dass Irans oberster Führer längst für seine Nachfolge vorgesorgt hat. Chamenei habe schon vor zwei Jahren ein dreiköpfiges Komitee ranghoher Geistlicher berufen, das sich um seine Nachfolge kümmern soll. Normalerweise ist ein monatelanges Auswahlverfahren im Expertenrat vorgesehen. Ein Gremium, in dem 88 hochrangige iranische Geistliche sitzen, wählt aus, wer neuer Revolutionsführer wird. Chamenei, der bereits ein Attentat und eine Krebserkrankung überlebt hat, will diesen Prozess aber offenbar deutlich beschleunigen.

Zwei Favoriten im Gespräch

Inzwischen haben sich zwei Favoriten herauskristallisiert, berichtet Reuters unter Berufung auf fünf Insider aus dem iranischen Machtapparat.

Eine Option ist demnach Chameneis Sohn Mojtaba. Er würde die Hardline-Politik seines Vaters wohl gnadenlos fortsetzen. Derzeit ist er aber nur ein Geistlicher "mittleren Ranges" und hat nie ein offizielles Regierungsamt ausgeübt, gibt Experte Vaez zu bedenken. Der Politikwissenschaftler hält es aus Sicht des Mullah-Regimes für "zu riskant", den Sohn des jetzigen Ajatollahs als Nachfolger zu benennen: "Es handelt sich um ein revolutionäres Regime, das 1979 an die Macht kam und eine Monarchie stürzte. Wenn dieses Regime ausgerechnet jetzt selbst zu einer Art Erbmonarchie wird, reißt es sich das eine Bein aus, auf dem es noch steht."

Der andere "Spitzenkandidat" auf die Nachfolge ist derzeit Hassan Chomeini, der 53-jährige Enkel des Gründers der Islamischen Republik, Ajatollah Ruhollah Chomeini. Für Mullah-Verhältnisse ist er reformwillig. Gleichzeitig genießt Chomeini als Enkel des damaligen Revolutionsanführers großen Respekt bei den hochrangigen Geistlichen und der Revolutionsgarde.

Den Insidern zufolge würde "Reformer" Chomeini Sinn ergeben, "um ausländische Angriffe und interne Revolten abzuwehren", heißt es im Reuters-Bericht. Er könnte der bei der Bevölkerung beliebtere Kandidat sein.

Das Wichtigste für das Mullah-Regime sei der eigene Machterhalt. Aus diesem Grund könnte es langfristig sinnvoller sein, einen Kandidaten auszuwählen, der zumindest den Anschein erweckt, zu Reformen bereit zu sein. Auch Ali Vaez sagt: Das wäre ein "kluger Schachzug" aus Sicht des Regimes.

Auch Überraschungskandidat möglich

Laut Verfassung sollte jeder Kandidat den Rang eines Ajatollahs innehaben und sich hinter die "revolutionären Ideen von Ali Chamenei" stellen. Das würde laut Vaez auch einen Überraschungskandidaten möglich machen, "von dem noch nie jemand gehört hat". Und zwar dann, wenn die Mullahs zu der Erkenntnis kommen, dass der oberste Führer "nur noch eine Fassade sein soll und die wirkliche Macht dahinter sitzt".

Damit meint Vaez Chameneis Sohn Mojtaba, der Beobachtern zufolge längst auch ohne offizielles Amt zu einer Schlüsselfigur in der iranischen Führung geworden ist. Mojtaba entscheidet, wer Zugang zu seinem Vater bekommt und bestimmt somit, wer Einfluss auf die höchste Instanz im politischen System Irans ausüben kann. Mojtaba vertrete seinen Vater "in offizieller Funktion, obwohl er nie in ein Regierungsamt gewählt oder ernannt wurde", erklärte das US-Finanzministerium bereits 2019, als es Sanktionen gegen den Führer-Sohn verhängte.

Ajatollah Ali Chamenei hat sich öffentlich nie geäußert, wen er am liebsten als seinen Nachfolger hätte. Laut "New York Times" bevorzugt der oberste Führer seinen Sohn Mojtaba aber explizit nicht. Das würde Staatsgründer-Enkel Hassan Chomeini zum alleinigen Topfavoriten machen.

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