Die Vorwürfe milliardenschwerer Verschwendung bei der Beschaffung von Corona-Masken gegen Ex-Gesundheitsminister Spahn sind schwerwiegend. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss drängt sich zur Aufklärung auf. Die Blockade durch die SPD ist in ihrer Hasenfüßigkeit so fragwürdig wie kurzsichtig.

"Vetternwirtschaft, Begünstigung, ja korruptive Vorgänge", vermuten die Grünen hinter der Maskenaffäre von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn. Der heutige Fraktionsvorsitzende der Regierungsparteien CDU und CSU soll aus fragwürdigen Motiven einen Schaden von bis zu 11 Milliarden Euro verursacht haben. Niemand muss die Deutung der Grünen zu den bekannten Fakten in der Maskenbeschaffungsaffäre teilen. Aus der Luft gegriffen aber sind diese Verdächtigungen nicht. Der Streit um Spahns Vorgehen ist geradezu musterhaft für einen Fall, der vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gehört. Logisch, dass die Union ihrem mächtigsten Mann nach Bundeskanzler Friedrich Merz nicht in die Parade fährt. Dass aber auch die SPD aus schierer Koalitionsräson einen Untersuchungsausschuss verhindert, ist hasenfüßig und politisch kurzsichtig.

Spahn hat sich in einer historischen Ausnahmesituation - den ersten Monaten der globalen Corona-Pandemie-über etablierte Beschaffungsverfahren hinweggesetzt. Er hat eigenhändig ein CDU-nahes Unternehmen aus seinem Nachbarwahlkreis mit der Masken-Logistik beauftragt, das sich mit dem Auftrag überfordert zeigte. Er hat wichtige Kommunikation über sein Handy laufen lassen, sodass etwaige Absprachen nicht ordentlich archiviert und nachverfolgbar sind. Er hat nicht versucht, das beauftragte Unternehmen Fiege für Schäden zu belangen. Er hat sich, so zumindest der Vorwurf im Untersuchungsbericht der Spitzenbeamtin Margaretha Sudhof, über die internen Preisempfehlungen für den Ankauf von Masken hinweggesetzt und den Preis rückblickend zu hoch angesetzt.

Linke und Grüne allein machtlos

Es gibt eine ganze Reihe von Entlastungsargumenten, die nun von Spahn und diversen Unionspolitikern vorgetragen werden. Viele davon sind berechtigt. Im Ausnahmezustand der ersten Corona-Monate musste ein verantwortlicher Bundesminister Mut zeigen, Ergebnisse auch unkonventionell herbeiführen und dabei Fehler riskieren können. Man denke an den Ruf des damaligen Hamburger Polizeisenators Helmut Schmidt, bei der Sturmflut 1962 eigenmächtig und gegen das Grundgesetz die Hilfe der Bundeswehr anzufordern. Doch der Sudhof-Bericht deutet darauf hin, dass Spahns Entscheidungen vom Eigeninteresse an seiner weiteren politischen Karriere getrieben gewesen sein könnten - und womöglich auch aus Kumpanei. Bewiesen ist das nicht. Aber Aufklärung ist dringend geboten.

Die Fraktionen von Linke und Grünen fordern daher einen Untersuchungsausschuss. Sie haben aber nicht genügend Stimmen im Bundestag, um diesen allein anzustrengen. Mit der AfD machen beide Parteien keine gemeinsame Sache. Die Union hat natürlich kein Interesse an dem Untersuchungsausschuss, die SPD verweist auf die nun beschlossen Enquete-Kommission. Die sei geeignet, Lehren aus der Pandemie für die Zukunft zu ziehen, auch mit Blick auf Beschaffungsfragen. Jede und jeder im Parlament weiß: Eine Enquete-Kommission verfügt bei weitem nicht über die quasi ermittlungsrichterlichen Befugnisse eines Untersuchungsausschusses. Dieser kann umfangreich Akten anfordern und Zeugen vorladen.

Angst vor der AfD

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Dirk Wiese begründete am Dienstag die ablehnende Haltung seiner Fraktion mit einer erwartbaren Instrumentalisierung des Untersuchungsausschusses durch die AfD. Die Sorge ist berechtigt: Seit Jahren mobilisiert die Partei Wähler mit oft abstrusen Behauptungen über die Pandemie-Politik und bläst berechtigte Kritikpunkte zu Verschwörungserzählungen auf. Aber Aufklärung verhindern, weil man die AfD fürchtet? Entscheidend für die ablehnende Haltung der Sozialdemokraten sind ohnehin andere Erwägungen: Sie wollen den fragilen Frieden in der frisch gestarteten Regierungskoalition nicht gefährden - auch aus der ehrlichen Überzeugung, dass nach den chaotischen Ampeljahren diese Bundesregierung einfach gelingen muss.

Wie aber soll eine geschlossen auftretende Regierungskoalition die gespaltene Gesellschaft befrieden, wenn diese Geschlossenheit nun den Eindruck von Klüngelei auf höchster Ebene vermittelt? Und welchen Respekt bekundet die SPD mit dieser Haltung den demokratischen Oppositionsfraktionen? Diese können angesichts einer Koalition aus Union und SPD sowie einer drastisch erstarkten AfD ihrer parlamentarischen Kontrollaufgabe nur noch eingeschränkt nachkommen. Das kann auch nicht im Sinn der SPD sein.

Kommt ein Umdenken?

Und wie sehr kann eine Partei eigentlich die eigenen Leute hängen lassen, wie nun im Fall der Sozialdemokratin Margaretha Sudhof, die von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit dem Untersuchungsbericht beauftragt wurde? Zahlreiche Unionsvertreter diskreditierten Sudhofs Arbeit als parteiisch und unprofessionell. Zu einem Umdenken von Sudhofs Genossen führten diese sehr persönlichen Attacken bislang nicht. Dass das nun CDU-geführte Bundesgesundheitsministerium den mit dem Bundestag geteilten Sudhof-Bericht in weiten Teilen schwärzte, änderte ebenfalls nichts.

Noch aber ist es nicht zu spät für die SPD, Linken und Grünen, die fehlenden Stimmen zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu verschaffen. Sie muss dafür nur beherzigen, was SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis in der Bundestagsdebatte zur Maskenaffäre sagte: "Transparenz schafft Vertrauen."

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke