Die schwarz-rote Bundesregierung schöpft dank der Grundgesetzänderung aus den Vollen. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil zeigt in seinem ersten Haushaltsentwurf, wie Deutschland massiv in die Infrastruktur investieren und zugleich dramatisch aufrüsten kann. Schon 2027 könnte das Geld aber knapp werden.
Lars Klingbeil ist mächtig stolz. An seinem 49. Diensttag als Bundesfinanzminister legt er am Dienstag in Berlin vor, woran die Ampel-Regierung noch zerbrochen war: einen Haushalt für das laufende Jahr und eine Antwort auf die Frage, wie Deutschland künftig die ambitionierten Nato-Zielmarken bei den Verteidigungsausgaben erreichen soll. "Ich bin da schon sehr zufrieden mit", sagt der am Freitag zur Wiederwahl antretende SPD-Vorsitzende. Mit einer Neuverschuldung von 143,1 Milliarden Euro im laufenden Jahr plant Klingbeil fest. Grob kalkuliert er bis einschließlich 2029 mit insgesamt 850 Milliarden Euro neuen Schulden. Ganz viel Geld soll jetzt ganz viel helfen.
"Was wir hier machen, ist ein investitionspolitischer Paradigmenwechsel", sagt Klingbeil stolz. "Die schwarze Null ist für mich kein Wert an sich, wenn dabei Brücken vergammeln, Schulen vergammeln und die Bundeswehr vernachlässigt wird." Er wolle zudem darauf achten, dass zur Verfügung gestelltes Geld auch verausgabt wird, "anders als mancher Vorgänger". Die Amtsvorgänger Christian Lindner, Olaf Scholz und Wolfgang Schäuble waren allesamt Anhänger der schwarzen Null, also eines schuldenfreien Haushalts. Das war für Schäuble und Scholz noch vergleichsweise leicht durchzuhalten. Lindner jedoch war mit einer Wirtschaftskrise konfrontiert und versperrte sich zugleich Krediten über den von der Schuldenbremse gesetzten Rahmen. Eher ließ er die Regierung platzen.
Der darüber vorzeitig aus dem Amt geschiedene Alt-Kanzler Olaf Scholz dürfte sich die Augen reiben, mit welchen Summen nun Klingbeil und Scholz-Nachfolger Friedrich Merz hantieren. Auch Scholz hätte als Bundeskanzler über solche Ausnahmen von der Schuldenbremse verfügen wollen, wie sie sich die schwarz-rote Bundesregierung noch vom alten Bundestag hat ermöglichen lassen. Die Ampel wäre dann zumindest nicht am lieben Geld gescheitert. Doch neben der FDP stand dem auch die Union im Weg, zumindest so lange sie nicht selbst regierte.
Klingbeil verweist auf Rekordinvestitionen
Über die kommenden zwölf Jahre kann der Bund 500 Milliarden Euro im Rahmen von Sonderschulden zusätzlich für Infrastruktur und Klimaschutzmaßnahmen ausgeben. Zudem fließen nur noch Verteidigungsausgaben in Höhe von 1 Prozent aller Vorjahresausgaben in die Berechnung der Schuldenbremse mit ein. Jeden weiteren Euro für Verteidigung darf der Bund ohne Folgen am Markt leihen - muss aber natürlich Zins und Tilgung einplanen.
503 Milliarden Euro gibt der Bund im laufenden Jahr nun aus, 29 Milliarden Euro mehr als im vergangenen Jahr. Davon seien 115 Milliarden Euro Investitionen, ein Rekordwert, wie Klingbeil betont. Sein Haus errechnet eine Steigerung der Investitionen um 41 Milliarden Euro. Die Vorgängerregierung mit ihrem geplanten, aber gescheiterten Wachstumspaket hatte noch mit 100 Milliarden Investitionen geplant.
Allerdings werden die Investitionen des Bundes unterfüttert durch mehr investive Ausgaben von Bund und Ländern. Die bekommen in den kommenden zwölf Jahren 100 der 500 Sondervermögen-Milliarden, ohne sich an den Zinsen hierfür beteiligen zu müssen. Das hatten die Länderchefs von Union und SPD so schon im März durchgedrückt. Überhaupt sind Länder und Kommunen gut durch Klingbeils erste 49 Tage gekommen: Den Wirtschaftsbooster aus Steuererleichterungen über 46 Milliarden Euro finanziert der Bund weitgehend allein, wie eine mühsam errungene Einigung vom Dienstagmorgen vorsieht: Steuereinnahme-Ausfälle der Kommunen übernimmt der Bund komplett. Den Ländern, die mit einem Minus von 16 Milliarden Euro kalkulierten, schießt der Bund 8 Milliarden Euro für Schulen, Kitas und Krankenhäuser zu.
Klingbeils Kalkulation braucht Wachstum
So schmilzt das 500-Milliarden-Euro-Paket also dahin: 100 Milliarden Euro gehen ohnehin an die Länder, 100 Milliarden Euro sind für den Klima- und Transformationsfonds vorgesehen. Nun muss der Bund von den verbliebenen 300 Milliarden 8 Milliarden Euro zur Kompensation der Länder abziehen und bis 2029 auf rund 12 Milliarden Euro Umsatzsteuereinnahmen verzichten, um Mindereinnahmen der Kommunen auszugleichen. Alles, damit die Wirtschaft ja wieder wächst. Klingbeils Haus rechnet für die kommenden Jahre bis 2029 sicherheitshalber nur mit einem Wachstum von jährlich 1 Prozent. Das wäre zwar mehr als in den vorangegangenen Rezessionsjahren, liegt aber unter den inzwischen wieder optimistischeren Erwartungen der Wirtschaftsinstitute. Hält der Trend sich aufhellender Wirtschaftserwartungen an, kann auch der Bund in seiner Herbstprognose die Zahlen nach oben korrigieren.
Eine anziehende Wirtschaft würde mehr Steuereinnahmen und weniger Kosten für Bürgergeld bedeuten: Dann könnte die Quadratur des Kreises gelingen, die sich Klingbeil mit seiner Haushaltsplanung zur Aufgabe macht. Denn schon ab 2027, spätestens 2028 wackelt die Kalkulation des Bundesfinanzministers. "Mit der Aufstellung zum Bundeshaushalt 2027 gilt es, einen Handlungsbedarf von rund 22 Milliarden Euro aufzulösen", zitiert das "Handelsblatt" aus der am Dienstag beschlossenen Kabinettsvorlage für den Haushalt 2025. In den beiden Folgejahren springen die Finanzierungslücken demnach auf 56 und 66 Milliarden. Diese zu schließen, wird knackig, erst recht inmitten des dann schon wieder laufenden Bundestagswahlkampfs.
Die Verteidigungskosten schlagen zu
Die Zinsbelastung des Bundes durch die jetzt schon hohe Verschuldung liegt nach Angaben von Klingbeils Staatssekretär Steffen Meyer im laufenden und im kommenden Jahr bei rund 30 Milliarden Euro. In den Jahren bis 2029 gehe es dann hoch auf 40 Milliarden, 53 Milliarden und schließlich 62 Milliarden Euro. Das wären nach vorläufiger Kalkulation mehr als 10 Prozent der gesamten Ausgaben des Bundes. Diese wiederum steigen bis 2029 noch einmal deutlich von 503 Milliarden in diesem Jahr auf 573 Milliarden an.
Das ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Verteidigungsausgaben ab 2028 aus dem Kernhaushalt finanziert werden müssen. Bis Ende 2027 nämlich ist das 2022 aufgelegte Sondervermögen Bundeswehr verausgabt, während die Verteidigungsausgaben aber weiter steigen sollen. Im laufenden Jahr will die Bundesregierung, Ukraine-Hilfen inklusive, 95 Milliarden Euro für Verteidigung ausgeben. Das entspricht nach Nato-Kriterien 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In vier Jahren schon soll dieser Wert bei 162 Milliarden Euro liegen, was dann dem Nato-Ziel von 3,5 Prozent des BIP entspricht. Das sogenannte 5-Prozent-Ziel der Nato sieht zudem vor, dass die Mitglieder jährlich 1,5 Prozent des BIP in sicherheitsrelevante Infrastruktur investieren.
Kommt die Schuldenbremse-Reform?
Beides, Zinslast und Verteidigungsausgaben, werden den Spielraum der Bundesregierung absehbar deutlich einengen. Zwar kann der Bund auch jenseits der Sondervermögen Schulden machen, dies aber nur in einem eng gesteckten Rahmen. Nach geltender Regelung sind umso weniger Schulden erlaubt, je besser die Wirtschaft läuft. Gelingt Klingbeil also der große Wurf und Deutschlands Wirtschaft zieht an, verringert sich sein Schuldenspielraum.
Einen Ausweg böte die im Koalitionsvertrag noch für 2025 vereinbarte Grundsatzreform der Schuldenbremse. Die hierfür geplante Expertenkommission will Klingbeil noch vor der Sommerpause einberufen, wie er bei der Haushaltsvorstellung erneut versichert. Wie diese aber bis Jahresende zu einer Einigung finden soll, der sich nicht nur CDU, CSU und SPD, sondern auch Grüne und Linke anschließen - alle fünf braucht es für eine Grundgesetzänderung - ist mehr als fraglich. Andererseits braucht der Bundesfinanzminister ja auch erst eine Lösung bis Ende 2026, wenn er seinen dritten Haushalt beisammen haben muss.
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