Mit dem Überraschungsangriff der USA auf den Iran geht Trump ein enormes Risiko ein. Washington meint, das Atomprogramm der Islamischen Republik sei nun vernichtet. Die Folgen sind nicht absehbar.
Das iranische Atomprogramm ist zerstört, die entsprechenden Ambitionen der Islamischen Republik zunichtegemacht. Das sagt US-Präsident Donald Trump, das sagt sein Verteidigungsminister Pete Hegseth. Experten meinen, dies sei noch nicht klar, der Stabschef des US-Militärs, Dan Caine, äußerte sich ähnlich. So oder so, der Angriff auf die drei Atomanlagen mit dem militärischen Namen "Mitternachtshammer" wirft zentrale Fragen auf. Durften die USA das? Welche Begründung hatten sie? Und welche Folgen könnten die Luftschläge haben?
Vor Trump hatten sich vier US-Präsidenten dagegen entschieden, militärisch gegen den Iran vorzugehen. Sie hatten mit Sanktionen, Sabotage, Cyberangriffen und Verhandlungen versucht, Irans Weg zur Atomwaffe zu verlangsamen. Barack Obama handelte mühsam ein Abkommen aus, das der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA Kontrollen im Land zugestand. Trump stieg mit den USA in seiner ersten Amtszeit trotzdem aus. In seiner zweiten muss er sich mit den Folgen dieser Entscheidung befassen.
Der Iran dürfe keine Atomwaffen besitzen, das ist einer der wenigen unverrückbaren Standpunkte Trumps, und er entschied sich - oder ließ sich davon überzeugen - dem Verbündeten Israel bei seinen Angriffen auf den Erzfeind in der Region zu helfen. Die Präzisionsschläge waren auch eine Machtdemonstration an Teheran. Innerhalb von 48 Stunden nach Israels ersten Angriffen wurden Trumps Äußerungen immer feindseliger, er forderte Teherans "bedingungslose Kapitulation". Der große Bruder Israels hat sich eingemischt und versucht, Grenzen für dessen Feind zu setzen. Mit Erfolg? Mit unabsehbaren Folgen.
Gunst der Stunde
Trump misst in der Außenpolitik mit unterschiedlichem Maß, je nach Interesse. Internationales Recht gehört nicht dazu. Er ist schließlich der Präsident, der muss sich nicht vor anderen rechtfertigen. Das gilt im eigenen Land, das gilt für internationale Organisationen. Von persönlichen Beziehungen jedoch wird er deutlich beeinflusst. In diesem Fall zu Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. Dazu kommt die Gunst der Stunde. Über die vergangenen Tage gefiel Trump die Vorstellung immer mehr, dem bereits verwundeten Iran einen entscheidenden Stoß zu versetzen.
In den Tagen vor Kriegsbeginn hatte Trump versucht, "Bibi", wie er ihn bei der Verkündung der Luftschläge nannte, davon zu überzeugen, den Iran nicht anzugreifen. Der blieb unbeirrt. Nun sind die beiden Komplizen. Ja, Komplizen. Sofern es die USA überhaupt versuchen: Völkerrechtlich dürfte es schwer sein, die Angriffe zu begründen.
Das Interesse daran, den Terrorfinanzier Iran im Nahen Osten nicht zum bis an die Zähne mit Atombomben bewaffneten Terroristen werden zu lassen, der die nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte geopolitische Ordnung und Israels Existenz gefährdet, war Trump wichtiger als Rechtsfragen. Dieses Interesse war Trump auch wichtiger als die Ablehnung der eigenen Parteibasis. Und es war ihm wichtiger als die möglichen Folgen in der Region. Trump hat mit dem Angriff neues Feuer im Nahen Osten gelegt. Entschließen sich der Iran oder andere, es noch mehr anzufachen?
Die US-Regierung betont, jetzt wolle man mit dem Iran über Frieden verhandeln. Der war schon vorher dazu bereit, aber Washington ignorierte die Angebote ganz bewusst. Nun wird Teheran eigenen Angaben zufolge zunächst mit Moskau über eine mögliche Reaktion beraten. Völkerrechtlich gesehen dürfte sich der Iran militärisch verteidigen. Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums sagte, das werde man tun. Aber wie? Schlägt die Islamische Republik zurück? Dann würden auch die USA erneut angreifen, drohte Trump. Das Feuer würde sich ausweiten, womöglich unkontrollierbar. Dann wäre Trump der Kriegspräsident, der mit Netanjahu den fatalen Schritt im Nahen Osten getan hat.
Der Iran könnte aber auch die Bedingungen für einen Frieden akzeptieren, die Washington laut Hegseth an Teheran übermittelt hat. Das wäre eine Demütigung für die Islamische Republik. Es ist kaum vorstellbar, dass sie auf jegliche demonstrative Reaktion verzichtet. Der Iran betont, sein Atomprogramm fortsetzen zu wollen. Eine Vereinbarung mit den USA wird dies wohl kaum erlauben. Und was sind die innenpolitischen Folgen im Iran, von welchen Interessengruppen sie auch getrieben sein mögen?
Enorme Angriffsfläche für Vergeltung
Offiziell haben sich die USA die israelische Argumentation zu eigen gemacht - das Atomprogramm des Irans sei sehr weit fortgeschritten gewesen, das theokratische Regime habe kurz vor der Produktion von Atombomben gestanden. Warum sollten sie sonst Uran entsprechend anreichern? Doch noch im März sagten die US-Geheimdienste, der Iran arbeite nicht an der Bombe. Trump wischte das öffentlich beiseite und blamierte seine Geheimdienstchefin. Auf die Frage, ob Trump andere Informationen vorgelegen hätten, die seine Entscheidung beeinflussten, und falls ja, von wem die gekommen seien, antwortete Hegseth ausweichend. Der Präsident habe geurteilt, das Programm sei eine Bedrohung. Der große Mann hat entschieden. Das muss reichen.
Es sei ein komplexer Hochrisikoeinsatz gewesen, sagte der Stabschef des US-Militärs, mit Ablenkungsmanövern, Tarnkappenbombern, mehrfachem Auftanken auf direktem Weg von den USA in den Iran, zudem mit mindestens zwei Dutzend von einem U-Boot abgefeuerten Tomahawk-Raketen. Trump setzt darauf, dass die USA jegliche Vergeltungsmaßnahmen Teherans abwehren können.
Mehr als 40.000 amerikanische Soldaten sind auf Stützpunkte im Nahen Osten verteilt. Sie bieten eine enorme Angriffsfläche, alle befinden sich in der Reichweite iranischer Raketen. Terrorangriffe, Geiselnahmen und Cyberangriffe sind weitere mögliche Reaktionen. Teheran hatte auch deutlich gemacht, nach einem Angriff der USA sein umfangreiches Atomprogramm in den Untergrund verlegen zu wollen. Sie könnten sich einfach noch tiefer eingraben, um den US-Bomben zu entgehen.
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