Seit über einem halben Jahr ist Ahmed al-Sharaa in Syrien an der Macht. Die neue syrische Regierung hat inzwischen erste Reformen umgesetzt. Deutschland will beim Wiederaufbau helfen. Eine Analyse des Auswärtigen Amts scheint dort jedoch eklatante Missstände offenzulegen.
Die Sicherheitslage in Syrien ist auch gut sechs Monate nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Baschar al-Assad im vergangenen Jahr weiter "extrem volatil". Das geht aus einem vertraulichen Lagebild des Auswärtigen Amtes hervor, wie der "Spiegel" berichtete. Der Syrien-Bericht der Diplomaten wurde mit Spannung erwartet. Er soll zukünftig als Orientierungshilfe für Behörden und Gerichte für den Umgang mit syrischen Staatsangehörigen bei Asyl- und Abschiebefragen dienen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte nach der Machtübernahme der Rebellen im Dezember Asylentscheidungen bei Syrerinnen und Syrern aufgrund der neuen Situation zu großen Teilen ausgesetzt. Die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag zudem festgelegt, auch wieder nach Syrien abschieben zu wollen.
Die Informationssammlung des 29-seitigen Papiers mit Stand Ende März könnte dieses Vorhaben erschweren. Zwar sehen die Analysten erste Reformen der neuen Regierung um Präsident Ahmed al-Sharaa. So seien etwa die berüchtigten "Anti-Terror-Gerichte" aufgelöst worden, ein wesentliches Unterdrückungsinstrument der vergangenen Diktatur. Doch insgesamt sei das Leben in Syrien in allen Landesregionen weiter sehr gefährlich. Bewaffnete Gruppierungen töteten Menschen, darunter verbliebene Milizen des Assad-Regimes.
Von Januar bis März zählten Beobachtungsstellen laut dem Bericht knapp 4000 "Konflikttote". Auch Anhänger der Regierung seien immer wieder in Gewaltverbrechen verwickelt. Es käme zu "willkürlichen Verhaftungen durch syrische Sicherheitskräfte". Zudem sei die Todesstrafe in der Verfassungserklärung weiter verankert, sexuelle Minderheiten würden diskriminiert. Es bleibe abzuwarten, inwiefern etwa ein Folterverbot und die Wahrung der Menschenwürde praktisch umgesetzt würden.
Welche Schlüsse die Bundesregierung aus dem neuen Lagebericht zieht, ist noch unklar. Das für Asyl- und Abschiebefragen zuständige Bundesinnenministerium von Alexander Dobrindt wollte sich dazu noch nicht äußern.
Deutsche Unterstützung beim Wiederaufbau
Deutschland will der syrischen Regierung mit einer verstärkten Wirtschaftszusammenarbeit beim Wiederaufbau helfen. Er habe sich am Dienstag bei einem Telefonat mit dem Außenminister der Übergangsregierung, Asaad al-Schaibani, auf die Einsetzung eines deutsch-syrischen Wirtschaftsrats verständigt, sagte Außenminister Johann Wadephul bei einem Treffen mit seinem jordanischen Amtskollegen Aiman al-Safadi in Berlin. Die Arbeit des Wirtschaftsrats solle vom Auswärtigen Amt koordiniert werden, ergänzte er.
"Es geht jetzt darum, dass wir die wirtschaftlichen Grundlagen in Syrien deutlich verbessern", sagte der Minister nun. Sein syrischer Kollege habe versichert, dass er an einer Politik der Stabilität und des inneren Ausgleichs in Syrien festhalten wolle. Dies sei für Deutschland "von entscheidender Bedeutung, weil wir glauben, wenn alle Religionsgruppen, alle ethnischen Gruppen in Syrien sich entfalten können, dieses Land zu Stabilität wieder zurückkehren kann", fügte Wadephul hinzu.
Syrien mit seinen rund 23 Millionen Einwohnern wird derzeit von einer Übergangsregierung unter Führung von Interimspräsident Ahmed al-Scharaa geführt. Al-Scharaa war Kopf der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die die Rebellenallianz anführte, die Assad am 8. Dezember 2024 stürzte. Die neue Regierung versprach nach ihrem Antritt ein "Syrien für alle".
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