Seit nunmehr fünf Tagen feuern Israel und Iran aufeinander. Anders als die Menschen in Israel hat die iranische Zivilbevölkerung kaum Möglichkeiten, sich zu schützen. Die sonst pulsierende Hauptstadt des Landes liegt schlagartig brach. Die Angst geht um, auch wegen Äußerungen des US-Präsidenten.
Die iranische Millionenmetropole Teheran gleicht am fünften Kriegstag vielerorts einer Geisterstadt. In der Hauptstadt am Fuß des Albors-Gebirges herrschen Anspannung, Hoffnungslosigkeit und Angst - auch wegen einer Drohung von US-Präsident Donald Trump, der die Bevölkerung der Stadt zur Flucht aufgerufen hat. Auf dem Heimflug vom G7-Gipfel in Kanada sagte Trump zudem, er strebe ein "Ende" des iranischen Atomprogramms an. Ein direktes Eingreifen des amerikanischen Militärs scheint nicht mehr ausgeschlossen. Was das für die Menschen in der 15-Millionen-Einwohner-Stadt Teheran bedeutet, vermag im Moment niemand mit Sicherheit vorherzusagen.
Allein in der ersten Angriffswelle am Freitag griff die israelische Armee nach eigenen Angaben 80 Ziele in Teheran und Umgebung an. Seither seien noch einmal so viele Ziele in und um die Hauptstadt attackiert worden. Landesweit war dies für die Iraner auch am Montag zu erleben: Während einer Live-Sendung schlug eine israelische Rakete im Gebäude des staatlichen Fernsehsenders IRIB ein. Die Angriffe und Mordanschläge treffen nicht nur militärische Einrichtungen, Armeeführer und andere Oberste der Sicherheitskräfte. Auch Zivilisten sind unter den Opfern. Die iranischen Nachrichtenagenturen meldeten bislang mehr als 200 getötete Menschen.
Angesichts dieser unmittelbaren Gefahr sind viele Bewohner Teherans inzwischen geflohen: in den Norden ans Kaspische Meer, in kleinere Städte auf dem Land oder in Richtung der Grenzen. Auf den Straßen der sonst pulsierenden Metropole herrscht vielerorts Stille. Supermärkte haben teilweise noch geöffnet, sind aber fast leergekauft. Es kommt zu Stromausfällen, die Wasserversorgung ist unterbrochen, Restaurants bleiben geschlossen. Die Klimaanlagen sind vielerorts ausgefallen, bei Temperaturen von mehr als 35 Grad.
"Ein seltsames Gefühl"
Auch die Geldversorgung ist eingeschränkt. Die iranische Nachrichtenagentur Fars meldete einen Cyberangriff auf die Sepah-Bank. In den kommenden Stunden könnte es demnach auch Probleme an Tankstellen geben, da die Infrastruktur an das Bankensystem angebunden ist. Im Iran kann an Zapfsäulen direkt bezahlt werden.
Zugleich stecken viele Menschen in Teheran fest oder haben sich bewusst entschieden, zu bleiben. "Die meisten Wohnungen sind leer", sagt Ramin. Der 34-Jährige führt ein kleines Geschäft im Basar. Seine Eltern hat er aufs Land geschickt. "Ich bin geblieben, um auf das Haus aufzupassen." Am Telefon sagt er: "Ich habe ein seltsames Gefühl, weder froh noch traurig. Ich bin mit dem Regime unzufrieden, aber ich will auch keinen Krieg."
Mohammed Resa, ein 27 Jahre alter Supermarktverkäufer, geht trotz des Kriegs zur Arbeit. "Ich höre ständig Explosionen, aber wir müssen eben weitermachen", sagt er. "Ehrlich gesagt hat sich die geschäftliche Lage gerade verbessert", fügt er mit einem kurzen Lachen hinzu. "Früher wollte niemand Brot vom Vortag, jetzt verkaufen wir sogar Tiefkühlbrot." Er versucht, die Packungen zu rationieren, damit für alle etwas bleibt.
"Die Bevölkerung lebt in ständiger Unsicherheit"
Der im Iran geborene Grünen-Politiker Omid Nouripour zeigt sich besorgt über die Situation der iranischen Zivilbevölkerung. "Die innenpolitische Lage im Iran verschärft sich weiter", erklärte der Außenpolitiker und Bundestagsvizepräsident ntv.de. Schon vor den israelischen Angriffen litten die Menschen im Iran unter einer auch von westlichen Sanktionen befeuerten Wirtschaftskrise, die durch steigende Benzinpreise und Versorgungsengpässe nun noch größere Ausmaße annimmt. "Landesweit entstehen Engpässe bei Treibstoff und Grundversorgung", so Nouripour.
Anders als Israel hat die iranische Führung offenbar kaum Vorbereitungen zum Zivilschutz getroffen, um die Menschen im Falle einer Eskalation des Konflikts mit Israel zu schützen. Weder gibt es rechtzeitige Luftalarme noch Luftschutzräume. "Die Bevölkerung lebt in ständiger Unsicherheit", so Nouripour, "da das Regime durch systematisches Missmanagement keinen verlässlichen Zivilschutz gewährleistet hat und zentrale Versorgungssysteme kollabieren lässt."
Die Bevölkerung im Iran kann nach Angaben der Regierung bei israelischen Angriffen in Moscheen und Schulen sowie in U-Bahn-Stationen Schutz suchen. Die U-Bahnen würden ab Sonntagabend durchgehend geöffnet sein, sagt eine Regierungssprecherin im staatlichen Fernsehen. "Es gibt keine Probleme mit der Versorgung von Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff."
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