Das Genie beherrscht das Chaos. Noch genialer, wenn es das Chaos inszeniert. Donald Trump hat dieses Spiel perfektioniert: Es hagelt Notstände, Invasionen und Katastrophen. Wenn es brennt, ist der US-Präsident zur Stelle. Und zündelt.
Krise kann auch geil sein. 2020 schleuste Jan Böhmermann diesen Satz aus dem privaten Chat von Heimwerker-King Fynn Kliemann in die Öffentlichkeit und paarte ihn mit dem Vorwurf pietätloser Profitmacherei. Der Skandal, Corona-Masken, die erst fair und dann doch nicht fair produziert wurden, kostete Kliemann - zumindest zeitweise - die Reputation. Krise will also gelernt sein.
Ausgelernt hat der Mann, der heute in Washington seinen 79. Geburtstag feiert: US-Präsident Donald Trump. In den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit nutzte er seine Notstandsbefugnisse so häufig wie kein Präsident vor ihm. Zölle wurden erhöht, Energievorschriften gelockert und Abschiebungen verschärft. Trump, der Retter, selbst "von Gott gerettet, um Amerika wieder großartig zu machen", wie er in seiner Amtseinführungsrede im Januar bekannt gab.
Besonders großartig sollten die Abschiebungen von "Millionen und Abermillionen Migranten" werden. Gegen die Proteste in Los Angeles mobilisierte Trump daher die Nationalgarde und entsandte Hunderte von US-Marines, um das "Chaos" auf den Straßen zu beseitigen - gegen den Willen des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom, der die Proteste "beherrschbar" nannte. Ein Bundesrichter verurteilte den Einsatz Donnerstagabend als rechtswidrig, kurz darauf setzte ein Berufungsgericht das Urteil aus und gab die Nationalgarde zurück in die Hand der Regierung. Rechtswidrig oder nicht - ihren Zweck haben die Szenen bewaffneter Soldaten in der Innenstadt erfüllt: Ausnahmezustand im "Blue State", in dem Retter Trump mit harter Hand für Ordnung sorgt. Die Taktik des Präsidenten ist nicht neu. Er hat sie selbst erprobt, viele Male.
"Invasion" und "linke Mobs"
Kurz vor den Zwischenwahlen 2018 bauschte Trump eine "Flüchtlingskarawane" zur nationalen Bedrohung auf: Menschen, die gesammelt überwiegend aus Honduras Richtung USA flohen, wurden zur "Invasion" aus Vergewaltigern, Drogenbanden und "unsichtbaren Terroristen". Prompt ließ der Präsident Tausende Soldaten an die Südgrenze verlegen. Die Bilder uniformierter Soldaten und von Stacheldraht veredelten die Inszenierung eines präsidialen Widerstandskämpfers - und mobilisierten konservative Wähler. Trumps Umfragewerte stiegen.
Als 2020 nach der Ermordung von George Floyd Millionen Menschen gegen Polizeigewalt demonstrierten, ließ sich Trump mit Bibel vor der St. John's Church ablichten. Den Weg dorthin hatte er sich mit Gummigeschossen und Tränengas freischießen lassen: Trump, der Märtyrer gegen den "linken Mob" aus Wahnsinnigen. Dass diese vermeintlich Wahnsinnigen vor dem Weißen Haus friedlich demonstriert hatten, passte nicht mit aufs Foto. Wegen der landesweiten Proteste drohte Trump mit der Anwendung des "Insurrection Act", der den Einsatz des Militärs im Inland ermöglicht. Ob die Truppen "Demonstranten einfach erschießen" könnten, soll er gefragt haben. An der Mobilisierung hinderten ihn letztlich kritische Berater und Militärexperten - die heute fehlen.
Sturm auf das Kapitol
Im Januar 2021 schwang Trump sich ein weiteres Mal auf die Kanzel der Bigotterie. Schon Monate vor der Wahl hatte er vor Manipulation gewarnt. Den 6. Januar 2021 verklärte er zur letzten Chance, die "Wahl zu retten", seine Jünger stürmten das Kapitol und adelten Trump zum Kämpfer gegen das korrupte System.
Ist das Vertrauen in staatliche Institutionen erst gebrochen, öffnen sich für Autokraten Tür und Tor, das System, das sie zu reparieren versprechen, weiter auszuhöhlen. Als Meister des kalkulierten Krisenmanagements zermürbt Trump den Rechtsstaat mit immer neuen Notständen - und macht so die Krise zur Norm.
In Los Angeles mahnte Gouverneur Newsom, Trump verhalte sich zunehmend wie ein Diktator. "Autoritäre Regime beginnen damit, die Menschen ins Visier zu nehmen, die sich am wenigsten verteidigen können. Aber das ist erst der Anfang." Trump hingegen rechtfertigte den Einsatz von Nationalgarde und Marines mit einem unfähigen Gouverneur in einem "Müllhaufen" von Bundesstaat. "Ohne mich wäre Los Angeles längst zerstört", sagte er.
Während die Demonstrationen in Los Angeles andauern, wurden auch wegen der Feierlichkeiten in Washington Proteste angekündigt. Trump warnte, dass Demonstranten mit "massiver Gewalt" rechnen dürften. Extra herbeirufen müsste er seine bewaffneten Truppen für die nächste Krise nicht. Die sind wegen der Militärparade schon da.
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