US-Präsident Trump hat Massenabschiebungen versprochen, und er scheint fest entschlossen, sie zu liefern. Das könnte allerdings ein anderes Wahlkampfversprechen unmöglich machen.
Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis sind das Fundament der US-Wirtschaft. Sie gießen Beton, putzen Toiletten, ernten Erdbeeren und braten Burger. Die USA brauchen ihre illegalen Arbeitskräfte so sehr, wie Teile von ihnen sie verachten. Donald Trump gewann die Wahl auch, indem er Massenabschiebungen versprach. Er sprach davon, dass Migranten "das Blut unseres Landes vergiften" und die Menschen wählten ihn. Nun ist Trump Präsident und steckt in einer Zwickmühle - und mit ihm das ganze Land: Er will irregulär Eingewanderte loswerden und er braucht zugleich eine florierende Wirtschaft.
In Los Angeles lösten Abschiebe-Razzien vergangenes Wochenende große, teils gewaltsame Proteste aus. Auf die Menschen, um die dort gestritten wird, dürften die Bilder besonderen Eindruck machen: die brennenden Autos, die schwer bewaffneten Soldaten, die die Razzien schützen. Es sind bisher nur erste statistische Trends und Beobachtungen Einzelner - aber es scheint, als ob Trumps Migrationspolitik den Arbeitsmarkt bereits zu erfassen beginnt. Laut einem Bericht der "New York Times" scheint Trump nun einige Bereiche bei den Abschiebungen allerdings zu verschonen.
Die Deutsche Presse-Agentur zitiert einen jungen Mann aus Los Angeles: "Die Leute gehen nicht aus dem Haus. Sie gehen nicht zur Arbeit, weil es immer noch ein angespanntes Gebiet ist." Robert Dietz, Chefökonom der US-Hausbauer, bestätigt das für seine Branche: Die Razzien hätten eine abschreckende Wirkung auf Bauarbeiter. Tauche die Einwanderungsbehörde irgendwo auf, kämen für einige Wochen weniger Arbeitskräfte auf die Baustelle, sagte er beim Radiosender NPR. Der Effekt sei lokal begrenzt, doch Dietz zeigte sich besorgt. Auch wegen des ohnehin schon knappen Wohnraums in den USA.
"Sie werden mehr Razzien an Arbeitsplätzen sehen, als jemals in der Geschichte dieser Nation", hatte Trumps "Grenzzar" Tom Homan vor Kurzem noch einmal die Marschrichtung der Regierung vorgegeben. Was aber bedeutet das für die US-Wirtschaft?
Jeder fünfte Erwerbstätige im Ausland geboren
Belastbare Daten sind rar. Wenig überraschend, immerhin geht es um eine Gruppe, die sich dem Zugriff des Staates entzieht. Erhebungen versuchen, auch Menschen ohne Papiere zu erfassen, doch viele von ihnen nehmen aus Angst nicht teil oder werden wegen wechselnder Wohnsitze nicht erfasst. Die Statistikbehörde veröffentlicht Zahlen zur ausländischen Erwerbsbevölkerung. Das schließt Menschen mit und ohne legalem Aufenthaltstitel ein, die Arbeit haben oder eine suchen.
Für die vergangenen beiden Monate verzeichnet die Statistik den größten Rückgang seit der Pandemie. Erstmals seit dieser Zeit schrumpfte die ausländische Erwerbsbevölkerung um mehr als eine Million Menschen. US-Medien vermuten einen Zusammenhang mit Trumps Politik. Aber statistisch ist diese Entwicklung noch kein großer Ausreißer. Noch liegt die Zahl im Rahmen üblicher Schwankungen. Doch falls der Trend anhält, wird es ernst.
Sollte diese Gruppe weiter schrumpfen, geriete ein bestimmter Teil der US-Wirtschaft unter Druck. Im Mai war jeder fünfte Erwerbstätige in den USA im Ausland geboren - über 32 Millionen Menschen. Es sind Menschen, die vor allem in Dienstleistungsberufen arbeiten, auf dem Bau, dem Feld oder in Fabriken, Menschen, die Güter transportieren und Straßen reparieren.
Lebensmittelpreise könnten steigen
Schätzungen zufolge leben in den USA zehn bis zwölf Millionen Menschen ohne Aufenhaltserlaubnis. Davon wiederum arbeiten demnach mehr als acht Millionen - das sind knapp fünf Prozent der Erwerbsbevölkerung. Auch sie arbeiten überwiegend in den genannten Branchen, sind dabei aber in einigen Wirtschaftszweigen besonders präsent: Gerade in der Landwirtschaft geht ohne die billigen, zumeist unversicherten Arbeitsmigranten nichts.
Laut Agrarministerium waren 2022 zwei Drittel der Erntehelfer im Ausland geboren, 42 Prozent ohne gültige Papiere. In Kalifornien, dem landwirtschaftlich bedeutendsten Bundestaat, sind es Schätzungen zufolge bis zu 75 Prozent. Abschiebungswellen irregulär eingewanderter Menschen dürften sich deshalb rasch auf den Tellern der US-Amerikaner bemerkbar machen. Oder an den Supermarktkassen, wo gestiegene Lebensmittelpreise schon jetzt für Missmut sorgen.
Besonders der Blick ins Milchregal könnte bald schmerzhaft werden. Eine Studie der Universität von Wisonsin schätzte 2023, dass 70 Prozent der Arbeit auf den Milchviehbetrieben des Staates von Arbeitern ohne Aufenthaltserlaubnis geleistet werde. Unter anderem der Unmut über teure Lebensmittel hat Trump ins Weiße Haus gebracht, er versprach Besserung. Sollten die Preise weiter steigen, dürfte das ihm und seiner Partei spätestens bei den Kongresswahlen im kommenden Jahr auf die Füße fallen. Trump hat wohl auch deshalb am Donnerstag mögliche Anpassungen seiner Migrationspolitik angedeutet: "Wir müssen unsere Landwirte schützen, aber die Kriminellen aus den USA entfernen", schrieb er.
"Das ist Fantasterei"
Aber auch im Staatshaushalt würden sich Abschiebungen bemerkbar machen, fänden sie in dem Ausmaß statt, das Trump vorschwebt. Denn viele Arbeitskräfte ohne gültige Papiere zahlen in den USA ganz normal Steuern. Je nach Anstellungsverhältnis werden sie ihnen direkt vom Lohn abgezogen, spätestens aber mit dem Einkauf im Supermarkt oder mit der Mietzahlung werden sie fällig. Studien zufolge fließt mehr als ein Drittel der Steuern, die irregulär Eingewanderte zahlen, in die Sozialsicherungssysteme, zu denen sie selbst kaum Zugang haben. Sie subventionieren also das Arbeitslosengeld, die Krankenversicherung und die Rente ihrer Mitmenschen.
Trumps Republikaner argumentieren, die Migranten verknappten das Wohnungsangebot, drückten Löhne und nähmen US-Bürgern deren Jobs weg. Viele Fachleute widersprechen. "Die Vorstellung, dass Abschiebungen dazu führen, dass US-Arbeitskräfte herbeieilen und die gleichen Arbeitsplätze besetzen, ist Fantasterei", sagte der Ökonom Michael Clemens "Foreign Policy". Eine Gruppe um die Wirtschaftswissenschaftlerin Andrea Velasquez untersuchte die Effekte der Abschiebung von 400.000 Menschen unter Ex-Präsident Barack Obama: Die Arbeitsmarktaussichten verschlechterten sich - für Migranten, wie auch für US-Bürger.
Einen ganz anderen Weg ging 2004 Spanien ging 2004: Die Regierung legalisierte rund 600.000 bereits im Land lebende Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis - wenn diese ein Arbeitsangebot vorweisen konnten. Die Folge: Laut einer Studie wechselte rund die Hälfte langfristig in legale, oft besser bezahlte, anspruchsvollere Jobs. Besonders interessant: Auch unter Einheimischen sank die Zahl informell Beschäftigter.
Dieser Ansatz wäre wohl politischer Selbstmord für Trumps Regierung. Sie widerrief am Donnerstag die Aufenthaltserlaubnisse Hunderttausender Menschen aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela. Trump löst Wahlversprechen ein, auch wenn die teuer werden könnten.
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