Nach der Veröffentlichung des "Manifests" durch mehrere SPD-Linke findet Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius klare Worte. Bei Maybrit Illner im ZDF sagt er am Donnerstagabend, allein die Vorstellung einer engeren Zusammenarbeit mit Russland sei befremdlich.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius ist am Donnerstagmorgen in der Ukraine eingetroffen. In der Tasche hat er ein Versprechen für ganz viel Geld: Sieben Milliarden Euro, die bereits beschlossen wurden, und 1,9 Milliarden, die der Bundestag noch freigeben muss. Damit soll die Ukraine die Herstellung weitreichender Marschflugkörper finanzieren.

Die ukrainische Industrie könne inzwischen schneller produzieren, doch um die Kapazitäten für die Rüstungsindustrie wirklich auszuschöpfen, fehle ihr das Geld, so Pistorius am Abend in einem Interview, das Moderatorin Maybrit Illner kurz vor ihrer Sendung mit dem Politiker geführt hat. "Dem leisten wir jetzt Abhilfe, gemeinsam als Europäer und wir mit unserem Beitrag, indem wir der Ukraine mit Geld helfen, bei der eigenen Rüstungsindustrie zu beschaffen und bezahlen zu können." Deutschland wolle der Ukraine dabei helfen, weitreichende Raketen anderer Bauart schnell zu produzieren. "Dieses System wird bis zum Ende des Jahres zur Verfügung stehen, und das ist ein echter Gewinn für die Ukraine, sowohl von der Qualität als auch von der Masse her", so der Verteidigungsminister. Was die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern angehe, gebe es eine klare Beschlusslage, an der sich nichts geändert habe.

Unterdessen haben sich knapp hundert SPD-Linke mit einem "Manifest" an die Öffentlichkeit gewandt. Darin schreiben sie: Eine auf Jahre festgelegte Erhöhung des Verteidigungshaushaltes auf 3,5 oder 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sei irrational, fordern "eine zukunftsfähige Verteidigungs- und Sicherheitspolitik" und eine schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen sowie eine Zusammenarbeit mit Russland.

Pistorius: Putin will gar nicht verhandeln

Pistorius lehnt das "Manifest" ab, bleibt aber zunächst gelassen in der Sache: "Ich nehme das nicht persönlich", sagt er. "Das kann mich gar nicht treffen, weil ich weiß, dass wir nicht diejenigen sind, die den Weg einer Konfrontationsstrategie eingeschlagen haben. Daher ist dieser Vorwurf schon einmal völlig ins Leere gehend. Es ist bedauerlich, dass man diese Worte wählt." Dann ist er es, der die klaren Worte findet: "Gleichzeitig wollen wir doch mal die Kirche im Dorf lassen: Putin ist der Aggressor in diesem Krieg. Putin verweigert jede Friedensverhandlung. Putin sabotiert sie und unterläuft sie sogar, indem er seine Angriffe auf die Zivilbevölkerung der Ukraine massiv erhöht. Das alles ist völlig eindeutig. Wie man sich in dieser Phase eine engere Zusammenarbeit mit Russland auch nur vorstellen kann, ist völlig befremdlich." In der Ukraine tobe ein Krieg.

"Den Menschen jetzt zu sagen, Europa muss auf Russland zugehen und Europa muss diplomatische Lösungen finden, die Putin konsequent ausschlägt und verweigert, das würde ein aussichtsloses Unterfangen sein. Und das sollen die Verfasser des Manifests vielleicht mal versuchen." Der kommende Parteitag werde sich mit dem "Manifest" befassen. Er, Pistorius, habe großes Vertrauen in den größeren Teil seiner Partei, "der diesen Koalitionsvertrag mit allen Inhalten, auch dieses Thema betreffend, mit über 80 Prozent zugestimmt hat. Ich bin da sehr entspannt."

Auch in der anschließenden Diskussion bei Maybrit Illner ist das "Manifest" ein Thema. Es sei für ihn keine Überraschung gewesen, sagt der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter. Es sei bekannt, dass die SPD in dieser Frage gespalten sei. "Der Zeitpunkt war überraschend, das schon", sagt Kiesewetter, der das "Manifest" auf X zuvor "ungeheuerlich" genannt hatte. Bei Illner fordert er: Das Wesentliche ist doch, dass von dieser Regierung Geschlossenheit ausgehen muss." Bundeskanzler Friedrich Merz sei es gelungen, Deutschland wieder in Europa einzugliedern. "Insofern ist das (Vorgehen der Genossen – D.A.) unglücklich, weil es ein Bild der Zerrissenheit zeigt. Insofern ist auch gut, dass Pistorius jetzt so klare Worte gefunden hat. Ich glaube, dass das eine Petitesse, eine Sommersprosse sein wird."

Man müsse der Bevölkerung das Leid der Ukrainer klarmachen, vor allem auf das Leid der Mütter und Kinder hinweisen, die auf ihre Ehemänner und Väter warteten, die an der Front kämpften. "Die Glaubwürdigkeit unserer Regierung liegt darin, ob es uns gelingt, in Europa wieder Vertrauen in die Bundesregierung und in unser Land wachsen zu lassen, dass wir mithelfen, dass das Schicksal hunderttausender Familien gelöst wird, dass sie eine Zukunft in Frieden und Freiheit haben. Und wir müssen deutlich machen: Die Ukraine schützt uns. Wir profitieren von der Bereitschaft der Ukraine, Russland aufzuhalten."

Mehr Geld für die NATO

Wenn Ende Juni in Den Haag der Nato-Gipfel stattfindet, geht es dabei auch um die Verteidigungsfähigkeit Europas. Und um deren Finanzierung. Ein sehr Trump-freundlicher Gipfel werde das werden, glaubt Sicherheitsexperte Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität in München. "Man will einen Gipfel haben, auf dem die Erhöhung der NATO-Beiträge der Mitgliedstaaten auf 3,5 bis 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen soll, und der US-Präsident Trump dazu bringt, zu sagen, unter den Bedingungen werden die USA weiter europäische Macht bleiben." Doch das werde so nicht funktionieren, sagt Masala. "Ich glaube, die Annahme ist falsch. Ich glaube, Trump will raus aus Europa. Alles was man aus Washington liest oder hört, deutet darauf hin." Unklar sei, in welchem Umfang dies geschehen werde. Das werde sich erst nach dem NATO-Gipfel entscheiden, so Masala. Allerdings könne man auch den Teilabzug von US-Soldaten aus Europa nicht ausschließen.

Doch gerade dann, wenn die USA Europa nicht mehr unterstützen sollten, müssten sich die europäischen NATO-Partner mehr an der Finanzierung der Bündnisarmee beteiligen. Das fordert auch Pistorius: "Die Alternative ist: Sind wir verteidigungs- und vor allem abschreckungsfähig, um einen Konflikt verhindern zu können? Das sind die Fragen, vor denen wir stehen. Denen stellt sich niemand gerne. Aber wir müssen es tun."

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