Seit Kurzem können Asylsuchende an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden - was ein Berliner Gericht rechtswidrig nennt. Den Bundeskanzler ficht das nicht an. Ein Migrationsexperte klingt ähnlich.

Kanzler Friedrich Merz hält an der Zurückweisung Asylsuchender an der Grenze auch nach der Verwaltungsgerichtsentscheidung fest, mit der dies im konkreten Fall für rechtswidrig erklärt wurde. Die Entscheidung des Berliner Gerichts enge die Spielräume zwar möglicherweise noch einmal etwas ein, sagte der CDU-Chef beim Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Berlin. "Aber die Spielräume sind nach wie vor da. Wir wissen, dass wir nach wie vor Zurückweisungen vornehmen können."

"Wir werden das selbstverständlich im Rahmen des bestehenden europäischen Rechts tun", sagte Merz. "Aber wir werden es tun, auch um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in unserem Lande zu schützen und die Städte und Gemeinden vor Überlastung zu bewahren." Dieser Aufgabe wolle sich die Bundesregierung unverändert stellen. Der Kanzler unterstrich, bis sich die Lage an den europäischen Außengrenzen mit Hilfe von neuen gemeinsamen europäischen Regeln deutlich verbessert habe, "werden wir die Kontrollen an den Binnengrenzen aufrechterhalten müssen".

Migrationsexperte: Bessere Begründung von Zurückweisungen

Schützenhilfe erhält Merz vom Migrationsrechtsexperten Daniel Thym. Dieser hält es trotz der Gerichtsentscheidung noch für möglich, dass Zurückweisungen Asylsuchender an der Grenze rechtlich Bestand haben könnten. Die Bundesregierung habe in dem konkreten Fall keine ausreichende Begründung vorgelegt, warum sie sich auf eine Ausnahmeregelung des EU-Rechts stützt, und darum habe sich das Gericht mit diesem Aspekt auch nicht befasst, erklärte der Professor der Universität Konstanz im Deutschlandfunk. "Wenn sie eine solide Begründung vorlegen, könnte ich mir vorstellen, dass der Eilrechtsschutz auch anders ausfällt."

Eine Entscheidung stünde in einem solchen Fall erst Monate später im Hauptsacheverfahren an. "Es gibt viele Argumente, dass es nicht geht, aber auch einige, dass es geht", sagte er. Die großen Herausforderungen bei der Integration Geflüchteter könnten etwa eine geeignete Begründung sein, warum Deutschland von den EU-Regelungen abweiche. Deutschland habe beispielsweise einschließlich der Ukrainer achtmal so viele Migranten aufgenommen wie Italien, obwohl es nur eineinhalb Mal so viele Einwohner habe.

Wenn die Regierung aber eine wirkliche Wende in der Migrationspolitik erreichen wolle, "sind Zurückweisungen allenfalls eine Brücke", um rechtliche Änderungen auf nationaler und europäischer Ebene zu erreichen. Wichtiger sei das Drehen an zahlreichen kleineren Reform-Stellschrauben, etwa im Verwaltungsvollzug, aber auch um die Wirksamkeit einzelner Urteile auf EU-Ebene aufzuheben, erläuterte er.

Dobrindt: "Im Einklang mit dem Recht"

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt klang ähnlich: "Wir sind der Überzeugung, dass das, was wir tun, dass diese Zurückweisungen, dass die im Einklang mit dem Recht sind." Dabei berief er sich erneut auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU. Diese sogenannte Notlagenklausel erlaubt Ausnahmen, wenn es um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit geht.

Dobrindt sagte, es gebe durch irreguläre Migration eine Überforderung bei der Integrationsfähigkeit, in den Kitas, den Schulen bis zum Gesundheitswesen. Dies könne man vor Gericht gegebenenfalls ausführlich nachweisen und damit auch die Zurückweisungen von Asylsuchenden begründen. Dobrindt hatte am 7. Mai eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt und angeordnet, auch Asylsuchende an der Grenze zurückzuweisen - allerdings mit Ausnahmen, etwa für Kinder und Schwangere.

Das Verwaltungsgericht Berlin hatte am Montag in einer Eilentscheidung festgestellt, die Zurückweisung dreier Somalier bei einer Grenzkontrolle am Bahnhof Frankfurt (Oder) sei rechtswidrig. Ohne eine Klärung, welcher EU-Staat für einen Asylantrag der Betroffenen zuständig sei, dürften sie nicht abgewiesen werden. Die drei Betroffenen waren nach Polen zurückgeschickt worden.

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