Es war lange still um Donald Trump am Donnerstag. Kein öffentlicher Auftritt, kein Statement und bis zuletzt kein Post auf Truth Social. Erst am späten Abend meldete er sich auf seinem Netzwerk zu dem Thema, das Washington an dem Tag auf Trab hielt. „Radikale linke Richter“ wollten das Land zerstören, schrieb er in einem länglichen Post.

Am Abend zuvor hatte das Internationale Handelsgericht in New York die von Trump verhängten Basiszölle von zehn Prozent gegen die ganze Welt und die „reziproken“ Zölle gegen zahlreiche Länder für rechtswidrig erklärt. Am Nachmittag konnte der Präsident zumindest einen kleinen Erfolg feiern: Bis ein finales Urteil über die Rechtmäßigkeit der Zölle gefällt ist, müssen sie bezahlt werden. Doch trotz des Punktsiegs für Trump hat seine Handelsagenda Schaden genommen. Der wahre Verlierer ist aber ein anderer.

Das Urteil des New Yorker Bundesgerichts war deutlich. Die Basiszölle von zehn Prozent, die Trump unter Berufung auf den International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) verhängt hatte, entbehren laut den Richtern einer rechtlichen Grundlage. Auch die Verhängung der sogenannten „reziproken“ Zölle – also Strafmaßnahmen gegen Länder, die laut Trump US-Produkte benachteiligen – seien nicht durch den IEEPA möglich.

Während das Weiße Haus gegen „aktivistische Richter“ austeilte, verzeichneten die Anwälte der Regierung vor dem Berufungsgericht einen Erfolg. Bis die Richter – und höchstwahrscheinlich in letzter Instanz der Oberste Gerichtshof – über die Sache urteilen, bleiben die Zölle in Kraft. Das Handelsgericht wollte sie bis dahin ausgesetzt sehen.

Für Trump bleibt nach diesem Tag der Riss in seiner bereits häufig eingesetzten Drohkulisse der erratischen Zollpolitik. Denn mit dem Urteil steht die Legalität der Zölle infrage. Das ist an Amerikas Handelspartnern nicht unbemerkt vorbeigegangen.

Das Urteil des Handelsgerichts „stärkt unsere Position“, sagte Bernd Lange WELT. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament ist gerade zu Gesprächen in Washington. Es sei ohnehin „unsere Rechtsauffassung“, dass der Basiszoll und die „reziproken“ Zölle „ungerechtfertigt“ sind.

„Die Entscheidung hat den Druck auf die Länder verringert, sich den Forderungen der USA zu beugen“, sagte ein philippinischer Diplomat zu „Politico“.

Im Weißen Haus ist man sich dessen bewusst. Schon in der Anhörung vor dem Berufungsgericht sagten die Anwälte der Regierung, dass das Urteil „unsere Verhandlungen mit Dutzenden von Ländern gefährdet“ und unmittelbar die Gefahr mit sich bringt, dass amerikanische Handelspartner „sich erneut ermutigt fühlen, eine vermeintliche neue Schwäche auszunutzen“.

Deshalb bemühte sich Trumps Sprecherin Karoline Leavitt, die Zolldrohkulisse trotz des Urteils aufrechtzuerhalten. „Der Präsident hat andere Möglichkeiten, Zölle zu verhängen.“ Man prüfe derzeit alternative rechtliche Grundlagen, sagte sie.

Davor warnt auch George Saravelos, Währungsanalyst der Deutschen Bank. Wie die Entscheidung des Berufungsgerichts oder des Supreme Courts letztendlich ausfallen werde, bleibe abzuwarten, sagte er. Trump habe aber „in jedem Fall genügend Exekutivbefugnisse, um eine Zollagenda über andere Instrumente umzusetzen“.

Das weiß auch der EU-Verhandler Lange. „Das Ziel, das Handelsdefizit zu reduzieren und mehr Investitionen in die USA zu bekommen, wird die Regierung weiterhin verfolgen“, sagte er. Insofern wolle man weiterverhandeln.

Schließlich bleiben die sektoralen Zölle auf Stahl, Aluminium und Autos aus Europa bestehen. Im Raum stehen in dieser Kategorie noch Trumps Drohungen, Zölle auf Arzneimittel zu verhängen.

Lange zeigte sich zuversichtlich, hier zu einer baldigen Einigung zu kommen. Nach der Intervention von Kommissionschefin Ursula von der Leyen habe die Verhandlung zwischen der EU und den USA eine „Konkretheit“, die es vorher nicht gegeben habe.

Um Washington entgegenzukommen, brachte Lange ins Spiel, dass Europa verstärkt Nvidia-Chips kaufen könne. Er selbst habe am Mittwoch entsprechende Gespräche mit der Firma geführt. Das sei „auf dem Tisch“.

Doch ganz gleich, welchen juristischen Pfad Trump künftig beschreiten mag und ob seine Drohungen nun an Kraft verlieren – der eigentliche Verlierer dieses Chaos ist die Wirtschaft. „Damit kommt zu der ohnehin schon unsicheren Situation noch eine weitere Ebene der Unsicherheit hinzu“, sagte Andrew Hollenhorst, Chefvolkswirt bei der Citi-Bank zu „Politico“.

Unternehmen zögern mit Investitionen, Lieferketten bleiben fragil und Planbarkeit ist ein Fremdwort geworden. Ein zweites Urteil des Donnerstags unterstreicht das: Zwei Spielzeughersteller, die gegen die Zölle geklagt hatten, bekamen von einem Bundesgericht recht. Auch hier nannte der Richter Trumps Zollpolitik rechtswidrig. Die Firmen werden aber erst von den Zöllen befreit, wenn ein Berufungsgericht die Entscheidung bestätigt hat. Bis dahin bleibt die Ungewissheit für Märkte und Unternehmen. Für die Konsumenten weltweit ist das keine gute Nachricht.

Gregor Schwung berichtet für WELT seit 2025 als US-Korrespondent aus Washington, D.C. Zuvor war er als Redakteur in der Außenpolitik-Redaktion in Berlin für die Ukraine zuständig.

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