Angesichts der massiven russischen Angriffe auf die Ukraine und der erfolglosen Bemühungen um einen Waffenstillstand kündigt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine härtere Gangart an. „Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht, um die Ukraine auch militärisch weiter zu unterstützen“, sagte Merz am Montag im WDR. Es werde auch „keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen“ geben, die an die Ukraine geliefert werden.
Merz wies darauf hin, dies sei auch Gegenstand seiner Absprachen mit Frankreichs Staatschef Emanuel Macron und Polens Regierungschef Donald Tusk bei dem gemeinsamen Besuch in Kiew am ersten Wochenende seiner Amtszeit als Kanzler gewesen. Dies gelte ebenso auch für von Großbritannien und den USA gelieferte Waffen.
„Das heißt also, die Ukraine kann sich jetzt auch verteidigen, indem sie zum Beispiel militärische Stellungen in Russland angreift“, stellte Merz weiter klar. Dies habe die Ukraine bis vor einiger Zeit nicht gekonnt beziehungsweise nur in wenigen Ausnahmefällen, aber „das kann sie jetzt“.
Er sei zu der Einschätzung gelangt, dass Gesprächsangebote an Russlands Präsidenten Wladimir Putin derzeit nicht der geeignete Weg zur Beilegung des Konflikts sind, sagte Merz zudem in dem Interview: „Offensichtlich versteht Putin Gesprächsangebote als Schwäche“, warnte er. Wenn selbst ein Angebot, sich im Vatikan zu treffen, bei der russischen Führung „nicht auf Zustimmung stößt, dann müssen wir uns wohl darauf einrichten, dass dieser Krieg länger dauert als wir uns alle wünschen oder vorstellen können“.
Den Vorwurf, die Bundesregierung habe nicht alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft, „kann uns niemand ernsthaft mehr machen“, betonte Merz. Auch US-Präsident Donald Trump sei nach den massiven russischen Angriffen auf die Ukraine offensichtlich „zunehmend desillusioniert über Putin“. Insofern hoffe er, „dass Amerika an Bord bleibt“.
Mit seiner Entscheidung hebt sich Merz vom Kurs seines Vorgängers Olaf Scholz (SPD) ab. Der hatte zwar im vergangenen Jahr den Einsatz deutscher Waffen wie den Mehrfachraketenwerfer Mars II gegen Stellungen auf russischem Territorium für die Region um die umkämpfte Großstadt Charkiw erlaubt. Er hatte sich in der Folge aber gegen eine darüber hinausgehenden Aufhebung der Einsatzbeschränkungen ausgesprochen.
Lob und Kritik an Aufhebung von Reichweitenbeschränkung
Dass die Reichweitenbeschränkungen nun aufgehoben wurden, stößt in Deutschland unterdessen auf ein geteiltes Echo. Grünen-Fraktionsvize Agnieska Brugger begrüßt die Äußerung von Merz im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) als „folgerichtig und überfällig“. Sie pochte gleichzeitig darauf, der Ukraine nun auch die von Kiew gewünschten Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen.
Kritik kommt hingegen aus SPD und Linkspartei. Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) widersprach dem Eindruck, dass es einen Kurswechsel gebe. „Was die Reichweite angeht, will ich noch sagen, da gibt es keine neue Verabredung, die über das hinausgeht, was die bisherige Regierung gemacht hat“, sagte er auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Auch von anderen SPD-Politikern kommen kritische Stimmen. Einzelne Ausnahmen bei den Reichweiten seien sinnvoll, „insgesamt finde ich aber alles, was den Krieg ausweitet, falsch“, sagte der SPD-Politiker Ralf Stegner den RND-Zeitungen. Auch seien solche öffentlichen Äußerungen wie von Merz „nicht hilfreich“. Stegner pochte stattdessen auf mehr diplomatische Bemühungen.
Linken-Fraktionschef Sören Pellmann betonte, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei „ein furchtbares Verbrechen“. Er fügte jedoch hinzu: „Die Lieferung von immer mehr und immer schwereren Waffen hat den Krieg nicht beendet.“ Dass es jetzt keinerlei Reichweitenbeschränkungen für Waffenlieferungen mehr gebe, könne „zu einer weiteren Eskalation führen“.
Russland kritisiert wenig überraschend die Aufhebung der Reichweitenbeschränkung als Hindernis für eine Beilegung des Ukraine-Konflikts. Kreml-Sprecher Dmitri-Peskow sprach am Montag von einer „ziemlich gefährlichen Entscheidung“. „Falls diese Entscheidungen tatsächlich getroffen wurden, stehen sie in krassem Widerspruch zu unseren Bestrebungen, eine politische Lösung zu finden“, sagte Peskow dem russischen Journalisten Alexander Junaschew.
Außenminister weist russische Kritik zurück
Außenminister Johann Wadephul wies die Kritik aus Moskau umgehend zurück. „Es hat jetzt mehrere Aufforderungen und Gelegenheiten gegeben, an den Verhandlungstisch zu kommen für den russischen Präsidenten und er hat sie ausgeschlagen“, sagte der CDU-Politiker bei einem Besuch in Lissabon. „Wir haben immer klar angekündigt, dass dieses Verhalten nicht ohne Konsequenzen bleiben wird.“
Operativ wird die Ankündigung von Merz zunächst kaum Auswirkungen haben, da Deutschland kaum Waffen geliefert hat, mit denen die ukrainischen Streitkräfte russische Stellungen und Nachschublinien weit hinter der Frontlinie treffen können. Der Raketenwerfer Mars II mit einer Reichweite von etwa 85 Kilometern und die Panzerhaubitze 2000 mit einer Reichweite von etwa 35 Kilometern sind die einzigen beiden Waffensysteme.
Den Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern, mit dem selbst Moskau erreicht werden könnte, hat Berlin bisher nicht geliefert. Die USA, Frankreich und Großbritannien haben den ukrainischen Streitkräften dagegen Raketen mit einer Reichweite von teilweise mehr als 250 Kilometern zur Verfügung gestellt, die Medienberichten zufolge schon gegen russisches Territorium eingesetzt worden sein sollen.
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