Der Druck auf Israel wegen seines Vorgehens im Gazastreifen wächst auch in der deutschen Politik. Mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete fordern nun, die deutschen Waffenexporte nach Israel zu beenden. „Deutsche Waffen dürfen nicht zur Verbreitung humanitärer Katastrophen und zum Bruch des Völkerrechts genutzt werden“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Adis Ahmetovic dem „stern“. „Deshalb fordern wir (Benjamin) Netanjahus Regierung zur Bereitschaft zur Waffenruhe und Rückkehr an den Verhandlungstisch auf.“
Sein Parteikollege Ralf Stegner sagte: „Die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung und der Bruch des Völkerrechts durch die Regierung Netanjahu müssen sofort beendet und dürfen nicht auch noch mit deutschen Waffen verlängert werden.“ Zwar habe die Bundesregierung für Israel aus guten Gründen eine Ausnahme von der Praxis gemacht, keine Waffen in Konfliktgebiete zu liefern. Die Waffen hätte der Sicherheit Israels und der Verteidigung gedient. „Davon kann gegenwärtig im Gazastreifen und im Westjordanland keine Rede sein.“
Die SPD-Abgeordnete Isabel Cademartori warnte, dass sich Deutschland durch Waffenlieferungen an Israel an Kriegsverbrechen beteiligen könnte. „Dies könnte dazu führen, dass Deutschland selbst juristisch von internationalen Gerichten belangt wird“, sagte sie dem Magazin. Die Bundesregierung sollte daher die Waffenexporte begrenzen, insbesondere Panzermunition und -Ersatzteile dürften nicht mehr geliefert werden.
Zuletzt waren die Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter in Deutschland zurückgegangen. Im ersten Quartal des Jahres lag der Wert der von der Bundesregierung erlaubten Ausfuhren nach Angaben des Wirtschaftsministeriums bei 1,18 Milliarden Euro. Dabei lag Israel mit Exportgenehmigungen für 28 Millionen Euro auf Platz zehn.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich spricht sich zudem für eine stärkere Verurteilung des israelischen Vorgehens im Gazastreifen und im Westjordanland aus. „Ich hätte es befürwortet, wenn die Bundesregierung sich hier dem Votum einer so großen Zahl von europäischen Regierungen angeschlossen hätte“, sagte Mützenich am Sonntag dem Portal Table.Briefings zur Weigerung von Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU), einer Überprüfung des Assoziierungsabkommens mit Israel durch die EU-Kommission in Brüssel zuzustimmen.
17 Außenminister hatten einen solchen Schritt vergangene Woche in Brüssel befürwortet, unter anderem wegen Berichten von Menschenrechtsorganisationen und der UNO, dass die israelische Militäroffensive im Gazastreifen zur dauerhaften Umsiedlung hunderttausender Palästinenser führen könne. Darauf deuteten auch Äußerungen einzelner israelischer Politiker hin, „die glauben, dass sich die Sicherheit ihres Landes nur herstellen lässt, wenn man den größten Teil der palästinensischen Bevölkerungsgruppe aus dem Gazastreifen vertreibt“, sagte Mützenich.
Auch die Reaktion der Bundesregierung auf den Beschuss einer Gruppe von EU-Diplomaten im Westjordanland vergangene Woche bezeichnete der frühere Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion als ungenügend. „Die Bundesregierung hätte den israelischen Botschafter einbestellen können. Das wäre bei diesem Vorfall mehr als angebracht gewesen, zumal es nicht das erste Mal war“, kritisierte Mützenich. „Leider haben die Vertreter der Regierung, auch ihre Vorgänger, den Zeitpunkt bereits verpasst, um deutlicher zu machen, dass ein solches Vorgehen nicht akzeptiert werden kann.“
Angesichts der nur schleppend begonnenen Wiederaufnahme von Hilfslieferungen in den Gazastreifen verteidigte Mützenich ferner das UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA), das wegen Vorwürfen der Beschäftigung von Hamas-Mitgliedern in der Kritik steht. „Ohne UNRWA geht es nicht“, sagte er mit Blick auf die katastrophale Versorgungslage im Gazastreifen. Seit der Wiederaufnahme der Hilfslieferungen sei zu sehen, „dass es überhaupt nicht genügt, die Lastwagen nur in den Gazastreifen hineinzulassen.“ Entscheidend sei, „dass die transportierten Güter dann auch verteilt werden und die Organisation absolut unabhängig ist“.
Spanien für internationales Waffenembargo
Israel hatte Anfang der Woche eine fast dreimonatige Blockade humanitärer Hilfsgüter gelockert, aber aus Sicht der Vereinten Nationen nur völlig unzureichende Hilfe zugelassen. Die Streitkräfte haben zudem vor etwa einer Woche eine neue Großoffensive gestartet.
Spanien hatte am Sonntag zur Beendigung der humanitären Katastrophe und des Kriegs im Gazastreifen ein internationales Waffenembargo gegen Israel gefordert. „Das Letzte, was der Nahe Osten derzeit braucht, sind Waffen“, sagte Außenminister José Manuel Albares in Madrid.
Der CDU-Außenpolitiker Armin Laschet bezeichnet das Vorgehen Israels angesichts der schleppenden Hilfslieferungen zudem als völkerrechtswidrig. „Lebensmittellieferungen, Hilfslieferungen, Medikamentenlieferungen für die Bevölkerung zurückzuhalten, das bekämpft nicht die Hamas“, sagte Laschet in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Das verstoße gegen internationale Regeln. Völkerrechtsgemäß sei, auch in Kriegen die Bevölkerung zu schützen und die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen. „Menschen aushungern zu lassen, ist völkerrechtswidrig“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag.
Außenminister Johann Wadephul nannte die Situation in Gaza im ARD-„Bericht aus Berlin“ „unerträglich“. „Einerseits, wir stehen zum Staat Israel, wir sind für ihn verantwortlich und andererseits stehen wir natürlich zum Grundwert der Humanität und sehen natürlich das Leiden dieser Menschen“, sagte der CDU-Politiker. „Deswegen ist vollkommen klar – und das habe ich auch heute noch mal mit meinem israelischen Kollegen Saar besprochen: Es muss eine Lieferung, eine schnelle, eine wirkungsvolle Lieferung von Hilfsgütern geben.“
Wadephul sagte, er spreche seit seinem Besuch vor 14 Tagen fast täglich mit Israels Außenminister Gideon Saar. „Deutschland wird seine gesamte Politik, die diesen Raum und Israel betrifft, selbstverständlich an den Grundsätzen der Humanität und des Schicksals der Palästinenserinnen und Palästinenser ausrichten“, sagte der Minister. Das sei aber eine „für uns eine außerordentlich schwierige Situation“.
Israel will Großteil des Gazastreifens innerhalb weniger Wochen einnehmen
Unterdessen plant Israels Militär übereinstimmenden Medienberichten zufolge innerhalb weniger Wochen die Einnahme von drei Vierteln des abgeriegelten Gazastreifens. Den Plänen zufolge werde es nur zwei Monate dauern, bis 75 Prozent des Küstengebiets erobert sind, berichtete die „Times of Israel“ unter Berufung auf das Militär. Bisher kontrolliere die Armee rund 40 Prozent des Gebiets. Die palästinensische Zivilbevölkerung solle auf ein Viertel des abgeriegelten Küstengebiets zusammengedrängt werden, um Gaza von der islamistischen Hamas zu befreien, berichtete auch das „Wall Street Journal“.
Israels Streitkräfte hatten vor etwa einer Woche eine neue Großoffensive gestartet. Das Militär habe inzwischen alle seine regulären Infanterie- und Panzerbrigaden in den Gazastreifen verlegt, berichteten israelische Medien. Die Hamas stehe unter großem Druck, sagte Generalstabschef Ejal Zamir am Sonntag bei einem Truppenbesuch in der Stadt Chan Junis im Süden Gazas. Ziel der Intensivierung der Kämpfe sei das Erreichen der erklärten Kriegsziele: die Hamas vollends zu besiegen und noch festgehaltene Geiseln zu befreien.
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