Mit 23 Jahren ist er der jüngste Abgeordnete im neuen Deutschen Bundestag: Luke Hoß. Kürzlich hat der Linken-Politiker seine erste Rede gehalten. Mit ntv.de spricht er darüber, wie er frischen Wind in den Bundestag bringen will.

ntv.de: Am 16. Mai haben Sie Ihre erste Rede im Bundestag gehalten. Wie war das für Sie?

Luke Hoß: Vorher dachte ich, ich werde aufgeregt sein. Aber ich konnte mir in den Wochen davor bereits die Reden anderer Abgeordneter anhören. Man merkt, für viele ist das eine Routineaufgabe. Sie reden einfach runter. Das hat mir die Aufregung und auch den Druck genommen.

Was meinen Sie?

Viele Reden langjähriger Abgeordneter zum Beispiel von der SPD und der Union sind langweilig und einfach schlecht. Das hat mir den Druck genommen. Und als ich dran war, bin ich zum Pult gelaufen. Ich habe mich hingestellt, einen Schluck Wasser getrunken und dann losgesprochen. Am Pult gibt es extra eine kleine Digitaluhr, die runterläuft. Die habe ich allerdings überhaupt nicht wahrgenommen. Was ich aber mitbekommen habe, waren die Zwischenrufe. Vorher hatte ich gehört, dass es so eine Art Welpenschutz für die erste Rede gibt. Jens Spahn war so genervt, dass er den Welpenschutz gebrochen hat. Das nehme ich eher als Ehrung wahr.

In Ihrer Rede haben Sie gesagt: "Als jüngster Abgeordneter kam mir in den vergangenen Wochen eine besondere Aufgabe zu: die Perspektive der jungen Generation einzubringen". Wie wollen Sie das auch in Zukunft machen?

Mein Politikstil knüpft an den Haustürgesprächen an. Der Kontakt mit Menschen steht bei mir im Mittelpunkt. Ich sehe mich also nicht nur als die Stimme einer jüngeren Generation, sondern vor allem als Sprachrohr für die, die mit mir sprechen. Das sind die Menschen aus meinem Wahlkreis in Passau, aber auch alle anderen Menschen, Junge, Alte, Familien, die sich bei mir melden. Mein Rat ist immer, sprecht doch mit den Menschen. Der Rat geht auch an Bundeskanzler Merz.

Was nehmen Sie aus den Gesprächen mit?

Im Wahlkampf haben wir in Passau an 4500 Haustüren geklingelt und mit sehr vielen Menschen gesprochen. Bei diesen Haustürgesprächen waren die Mieten das, worüber sich die Menschen am meisten Sorgen machen. Das Thema bewegt die Menschen. Es ist Kern der sozialen Frage unserer Zeit. Deshalb ist es ein Thema, das wir jetzt angehen: Gestern haben wir einen Gesetzentwurf zum Mietwucher eingebracht, der überhöhte Mieten bekämpfen soll. Der Entwurf wurde in den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen, in dem auch ich Mitglied bin.

In den Ausschuss wollten Sie auch, weil Sie im 7. Semester Jura studieren. Neben Ihrem Abgeordnetenmandat möchten Sie Ihr Studium weiterführen. Wie wollen Sie das machen?

Dass ich wenig Zeit für mein Studium habe, ist nichts Neues für mich. Ich habe mich immer schon mehr politisch engagiert, als ich Zeit in mein Studium investiert habe. Neben meinem Studium habe ich immer gearbeitet, sonst hätte ich mir mein Studium nicht finanzieren können. Erst als ich ein Stipendium von der Rosa-Luxemburg-Stiftung [der parteinahen Stiftung der Linken] bekommen habe, konnte ich mir meine Zeit etwas flexibler einteilen. Ich bin in der Examensvorbereitung und muss keine Veranstaltungen mehr belegen, sondern Stoff wiederholen. Am Ende dieser Legislaturperiode, also in vier Jahren, würde ich gerne mein Examen schreiben.

Wo sehen Sie Herausforderungen in der Arbeit als Abgeordneter?

Weiter in engem Kontakt zu den Menschen in meinem Wahlkreis in Passau zu bleiben, ist nicht so leicht. Vor allem während der Sitzungswochen, wenn ich in Berlin bin. Ich biete eine Rat- und Hilfesprechstunde in Passau an, um den Kontakt weiter zu halten, und ich klingle auch weiterhin bei den Menschen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ich sehe mein Mandat als Verantwortung gegenüber den Menschen. Dieser Verantwortung möchte ich gerecht werden.

Wie?

Ich möchte - anders als viele andere Politiker - keine falschen Versprechen machen. Das beruht auch auf Ehrlichkeit. Damit meine ich, ich kann mich für etwas einsetzen, aber wenig versprechen. Ich möchte den Menschen signalisieren, es geht mir wirklich um euch. Ich spreche nicht nur wegen der Stimme mit euch. Dafür klingle ich bei den Menschen an der Haustür und frage sie, was kann ich für dich tun. Und auch jetzt gehen wir wieder in Passau von Tür zu Tür. Die meisten Politiker interessieren sich nicht für Menschen.

Welches Haustürgespräch hat Sie besonders bewegt?

Es gab viele prägende Gespräche. Es gibt Gespräche, die nur fünf Minuten gehen, aber wir haben auch Gespräche, die über eine Dreiviertelstunde gehen. Die Menschen freuen sich, dass jemand ihnen zuhört - egal von welcher Partei diese Person ist.

Welches hat Sie besonders geprägt?

Prägend war für mich ein Erlebnis mit einer Familie, die ich bei einem Haustürgespräch kennengelernt habe. Schon beim ersten Treffen haben sie mir von Problemen mit ihrem Vermieter erzählt. Später sind sie dann mit einem Räumungsbescheid in meine Sprechstunde gekommen. Wir konnten zwar nicht die Räumung verhindern, aber wir konnten den Räumungstermin um einen Monat nach hinten verschieben. Die Familie wäre auf der Straße gelandet, das Kind wäre ins Kinderheim gekommen, weil wir in Passau keine Familienunterkünfte für Obdachlose haben. Es war kein hundertprozentiger Sieg. Aber die Familie konnte noch rechtzeitig umziehen. Zu diesen Menschen habe ich eine enge Verbindung aufgebaut. Zwischenmenschliches klingt nicht politisch, ist es aber. Das ist meine Art, Politik zu machen.

Wie sind Sie in die Politik gekommen?

Die vorletzte Bundestagswahl hat mich politisiert. Die Grünen haben damals Wahlkampf damit gemacht, dass es die letzte Wahl sein wird, in der wir etwas verändern können - vor allem was die Klimakrise angeht. Ich war zwar kein klassisches Fridays-for-Future-Kind, aber dieser Wahlkampfslogan ist mir im Kopf geblieben. Als ich dann mein Studium begonnen habe, bin ich in die Grüne Jugend eingetreten. Da bin ich aber nach einem Jahr wieder ausgetreten.

Warum?

Ich habe gemerkt, dass die Grünen im Kampf gegen Rechts und auch in der Migrationspolitik nicht die richtigen Verbündeten für mich waren. Nach Lützerath dachte ich, irgendwie können die Grünen es mit dem Klimaschutz nicht so richtig ernst meinen. Sahra Wagenknecht war damals noch in der Linken. Das war der Grund, warum ich nicht beigetreten bin. Und erst nachdem Sahra Wagenknecht ausgetreten war, bin ich in die Linke eingetreten. Damals war der Vorstand der Linken in Passau weg: Wir hatten nur 36 Mitglieder in Passau. Ich bin dann Kreisvorsitzender geworden. Heute sind wir 170 Mitglieder und ich habe mein Amt als Kreisvorsitzender abgegeben.

Und jetzt sind Sie Abgeordneter im Bundestag. Werden Sie ernst genommen?

Ich habe erst eine Rede gehalten. Ich habe noch nicht inhaltlich mit anderen Fraktionen diskutiert. Die Frage kann ich erst in Zukunft beantworten. Es wird sich zeigen, ob ich ernst genommen werde.

Sie wollen Ihr Gehalt begrenzen und einen Teil spenden. Warum?

Ich komme nicht aus einem reichen Elternhaus. Meine Mutter war alleinerziehend. Am Ende des Monats hatte sie, als ich klein war, manchmal nicht genügend Geld, um selbst etwas zu essen. Ich habe das erst später begriffen, weil sie nur bei sich gespart hat, um meinen Bruder und mich zu versorgen. Im Laufe der Zeit haben sich unsere allgemeinen Lebensumstände aber gebessert. Ich weiß, was es bedeutet, sich nicht alles leisten zu können, und habe auch heute noch eine Perspektive darauf. Aber mir geht es gut. Ganz vielen Menschen geht es nicht gut.

Die Mitglieder des Bundestages erhalten eine monatliche "Abgeordnetenentschädigung" in Höhe von 11.227,20 Euro (Stand 1. Juli 2024). Wie teilen Sie Ihre Spenden auf?

Ich habe die genaue Zahl nicht im Kopf. Das läuft über getrennte Konten. Ich überweise mir 2500 Euro auf mein Privatkonto. Den Rest möchte ich spenden. Einen Teil werde ich der Bundes- und Landespartei sowie dem Kreisverband spenden und ein anderer Teil soll an zivilgesellschaftliche Organisationen gehen. Zudem möchte ich Menschen in finanzieller Notlage helfen.

Derzeit sind Sie in der Opposition - für eine Zweidrittelmehrheit bräuchte die Bundesregierung die Stimmen der Linken. Wie sehen Sie auf eine Zusammenarbeit mit der Union?

Als es im alten Bundestag um die Grundgesetzänderung ging, waren wir schon zu Gesprächen bereit. Natürlich stimmen wir nicht einfach so für einen Antrag der Union oder der SPD. Wir wollen mitreden. Also, wenn die Regierung darauf angewiesen ist, können wir gerne sprechen - aber da muss etwas für die Menschen rausspringen. Wir hatten so eine Situation bereits bei der Kanzlerwahl. Da erwarte ich jetzt auch, dass wir über Themen sprechen.

Wäre es ein Bündnis auch gegen Rechts?

Ob man mit der Union ein Bündnis gegen Rechts machen kann, das weiß ich nicht. Bei der Konstituierung des Rechtsausschusses hat der AfD-Kandidat eine Stimme mehr bekommen, als AfD-Mitglieder im Ausschuss sitzen. Da muss man der Union schon sehr genau auf die Finger schauen. Die Tendenzen, weiter nach rechts zu kippen, sind da. Unsere Aufgabe ist es, die Interessen der Menschen zu vertreten. Und die neue Regierung wird es nicht machen. Das sehen wir jetzt schon. Um das zu ändern, sind wir zu Gesprächen bereit.

Mit Luke Hoß sprach Rebecca Wegmann

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