Nach dem großangelegten russischen Angriff auf Kiew mit Drohnen und Raketen holt der russische Ex-Präsident Medwedew mal wieder zum Rundumschlag gegen die europäischen Unterstützer der Ukraine aus. In seinem vulgären Ausdruck zeigt sich, was er Putin bringt.

Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew bringt in seinem jüngsten Online-Beitrag relativ viel unter - vor allem an Verachtung. Sein Beitrag auf X besteht aus zwei Sätzen und lautet wie folgt: "Jetzt werden die armseligen Arschlöcher, die Drogenservietten in Zügen verstecken, wieder über Russlands unverhältnismäßige Angriffe auf Militärziele in Kiew kreischen und einen 30-tägigen Waffenstillstand und Sanktionen fordern. Zerstört zuerst die widerlichen, blutsaugenden Nissen auf euren dreckigen Körpern!"

Medwedew ledert verbal immer wieder insbesondere gegen die EU. Bisweilen in gemäßigter, oft in extremer Sprache. Was ihn für seinen Präsidenten Wladimir Putin so wichtig macht, ist, dass er eine Sprache spricht, die dem russischen Präsidenten so nicht über die Lippen kommt. Denn dieser legt Wert auf sachliche und nüchterne Sprache, oder eben auf einen Austausch, der "business-like" ist, wie es bisweilen in russischen Nachrichtenagenturen heißt.

Medwedews letzte Beiträge auf X erfolgten meist im Abstand von rund einer Woche - abgesehen von besonderen Ereignissen und Jahrestagen. Er dürfte damit eine verlässliche, weil regelmäßige rhetorische Stütze innerhalb von Wladimir Putins System sein - und eben eine im Sprachstil extreme.

X-Beitrag mit vier Teilen

Dieses Mal ist Medwedews Online-Beitrag selbst für seine Maßstäbe vulgär. Er lässt sich in vier Inhaltsteile aufdröseln. Einer einführenden Beleidigung ("armselige Arschlöcher") folgt in einem Nebensatz ("die Drogenservietten in Zügen verstecken") die etwas abgewandelte Wiedergabe der von Bloggern vor allem in den USA und Russland verbreiteten Falschnachricht, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premier Keir Starmer und Bundeskanzler Friedrich Merz auf ihrer Zugfahrt nach Kiew vor rund zwei Wochen ein Päckchen Kokain auf einem Konferenztisch liegen gehabt hätten.

Es war - wie schnell klar wurde - ein weißes Taschentuch, das Macron vor den Kameras vom Tisch abräumte. Dazu brauchte es im Übrigen nicht einmal eine Klarstellung des Élysée-Palasts, die dennoch erfolgte. Zahlreiche Nutzer in den Sozialen Medien merkten bereits an, dass es sich eben nicht um ein Päckchen Kokain handelte. Das ist es für Medwedew nun anscheinend auch nicht mehr - er macht "Drogenservietten" daraus - und hält an der grundsätzlichen Erzählung also fest.

Es folgt als drittes Medwedews konkretes Eingehen auf Kriegshandlungen. In spöttischer Art sagt er eine europäische Reaktion auf den jüngsten russischen Großangriff auf Kiew mit Drohnen und Raketen voraus. Eben jene, die er als Drogenkonsumenten diffamiert, würden nun wieder kreischen über die Unverhältnismäßigkeit der Angriffe und eine Waffenruhe und Sanktionen fordern.

Durch die Wortwahl "kreischen" stempelt er Europas Reaktion auf die russischen Kriegshandlungen als schwach ab. Er greift damit einen argumentativen Punkt auf, der bei seinen Unterstützern fruchten dürfte - zumal ja selbst der die Ukraine unterstützende Westen gespalten ist in der Frage, ob die Maßnahmen zur Verteidigungshilfe der Ukraine ausreichen.

Unterschied zu Putin: die Sprache

Medwedew geht dann abschließend wieder zur Beleidigung über - aber in radikaler Sprache. Russlands Opponenten sollten sich erst einmal die blutsaugenden Nissen vom Körper holen. Nissen sind Eier von Läusen, die natürlich nicht Blut saugen können. Eine Meldung der russischen Nachrichtenagentur TASS ermöglicht eine weitere Kontextualisierung, was Medwedew mit den Nissen meint. Dort heißt es, Medwedew fordere Paris, Berlin und London auf, "Banderas 'Parasiten'" auf ihren Körpern zu zerstören. Damit dürften für ihn die Ukrainer gemeint sein bzw. solche mit nationalistischen Ansichten.

Stepan Bandera (1909-1959) war ideologischer Führer des radikalen Flügels der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN). Nationalistische Partisanen aus dem Westen der Ukraine waren 1943 für ethnisch motivierte Vertreibungen verantwortlich, bei denen Zehntausende polnische Zivilisten ermordet wurden. Jüngst erlaubte Kiew Warschau überraschend, in der Ukraine hierzu weitere Nachforschungen anzustellen inkl. Exhumierungen.

Vor allem in der Version als "Banderas 'Parasiten'" nutzt Medwedew hier rhetorisch wieder die Argumentation, auf die - in nüchterner belehrender Sprache - auch Wladimir Putin immer wieder zurückgreift. Eine Entnazifizierung solle in der Ukraine vorangetrieben werden. Er wird auch hier bei seinen Anhängern, und bei Menschen im Westen, verfangen können. Dass mit Bandera und auch mit dessen Stellenwert in der Ukraine kritisch umgegangen werden sollte, ist keine Frage. Aber Polen kann der Ukraine bei dem Thema auch seit Jahren auf den Zahn fühlen - und das Land trotzdem unterstützen.

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